JEST Survival Camp

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    Der ehemalige US-Flottenstützpunkt United States Subic Naval Base auf den Philippinen wurde umgewandelt in die heutige Industrie- und Freihandelszone Subic Bay Freeport Zone (SBFZ). Geblieben in Subic Bay ist das legendäre Dschungel-Trainingslager JEST Survival-Camp, in dem sich westliche Waldläufer und philippinische Armeeangehörige freiwillig drillen lassen können.

    Der Ausbilder klopft mit seinem Holzknüppel vorsichtig auf das dichte Buschwerk, während der kleine Trupp sich entlang des lehmigen Dschungelpfades vorarbeitet. Schlangen sind hier weit verbreitet, wie die vielen schmalen Erdlöcher bezeugen. Gefahr droht auch durch scharfe Dornen, Kontaktgifte aus milchigen Pflanzensäften oder kleine Krabbeltiere wie Vogelspinne und Skorpion. Wir sind unterwegs im Regenwald von Subic Bay auf Luzon, wo ein zäher Instructor des JEST Camps die wichtigsten Überlebenstechniken im Dschungel lehrt: Feuermachen, Lagerbau, Pflanzenkunde, Nahrungsbeschaffung, Sicherheit im Regenwald. Das Jungle Environment Survival Training Camp zählt zu den ältesten und renommiertesten Militär-Ausbildungslagern auf den Philippinen: Bereits während des Vietnamkrieges wurden hier US-Marines von Ausbildern des Volkes der Aeta auf den Dschungelkrieg in Indochina vorbereitet. Heute trainiert hier auch die philippinische Armee (AFP), wie die zahlreichen Mannschaftsbusse im Camp zeigen. Es ist militärisch zweckmäßig, sich in den entlegenen Checkpoints und Außenposten auch gegen die wuchernde tropische Vegetation zu behaupten, die dort oftmals regionale Paramilitärs, Rebellen und Terroristen schützt. Seit Jahrzehnten gilt gerade die südphilippinische Insel Mindanao als politischer Krisenherd. Nach dem Niedergang maoistischer Gruppen wie der NPA, einst bedeutende Widerstandsbewegung gegen die Marcos-Diktatur, zählt heute der Islamismus zur größten spaltenden Macht der Region: Ein asymetrischer Konflikt zwischen Moro-Guerilla und den Regierungstruppen Manilas, der mittlerweile weit über 120.000 Todesopfer gefordert hat.

    Neugierig folgt der kleine Trupp auf dem schlüpfrigen Dschungelpfad unserem Ausbilder. Die Wanderung in Camp-Nähe führt durch dichten Regenwald, in dem Instructor Sergio alsbald seine Trickkiste öffnet: Lässig zeigt er, wie man mit der Bola – die philippinische Machete – aus grünem Bambus Trinkbecher und Reiskocher schnitzt. Mit geübten Handgriffen entstehen in wenigen Minuten praktische Kochutensilien in der Wildnis. Es ist diese Leichtigkeit, die beeindruckt: Das Werkzeug scheint wie von selbst durch die Bambusrohre zu schneiden. Trinkwasser? Wird auch aus grünem Bambus gewonnen. Feuer? Wir werden respektvoll Zeuge, wie die trockenen Späne – Zunder von braunen Bambusstämmen – nach Reibung in Flammen aufgehen. Kurz darauf kocht schon der Reis in einem provisorischen Bambustopf. Selbst Shampoo für die Haarwäsche gewinnt der zähe Aeta-Ausbilder aus diesen vielseitigen Pflanzen, die im Regenwald so weit verbreitet sind. Zu dritt geht es dann weiter den Hang hinauf, vorbei an gewaltigen Baumwurzeln und dichtem Buschwerk, wo wir das eben Gelernte im Camp umsetzen sollen – Übung macht den Meister. „Camp Craft“ nennt sich dieses siebenstündige Programm auch, an dem wir teilnehmen. Nachfrage wachsend. Andere Programme nennen sich „Hunter Gatherer“ oder „Survival Bootcamp“, dauern bis zu 72 Stunden, versprechen extreme Bedingungen und belohnen die Strapazen mit einer richtigen Survival-Zertifizierung. Zur Finanzierung des Training-Camps hat man nun nach Abzug der US-Armee eine globale Outdoor-Szene und zivilisationsmüde Westler entdeckt, die hier ihre Sinne schärfen wollen.

    Auf einer Waldlichtung steht eine einfache Bambushütte, zusammengebaut ganz ohne Hammer und Nägel – ausschließlich Lianen dienen hier der Befestigung. Mit der Bola wurden die Bambusstangen auf die richtige Länge gestutzt und angepasst, dazu dienen Bananenblätter als Schutzdach. Das indigene Volk der Aeta gilt als Meister für das Errichten von provisorischen Unterkünften mit einfachsten Mitteln, ebenso für Flecht- und Webarbeiten. Viele Angehörige dieser Volksgruppe leben weiterhin als Nomaden, die in abgelegenen Dörfern auf unwegsamen Hochplateaus und Berglichtungen siedeln. Für Vertreter der westlichen Wohlstandsgesellschaft in höchstem Maße lehrreich, da das Prinzip des Überflusses vollkommen unbekannt ist. Die friedliche, naturgebundene Kultur dieser Ureinwohner des philippinischen Archipels haben sich die Aeta trotz wirtschaftlichem Druck seit Tausenden von Jahren bewahren können. Die Sinne des Ausbilders sind entsprechend hoch entwickelt: Pflanzen-oder Schlangenarten können viele dieser Ureinwohner alleine durch deren Geruch bestimmen.

    Fallenstellen und Jagen sind nur einige der vielen Möglichkeiten, um im Urwald an Nahrung zu gelangen. Wir lernen: Es gibt Hunderte von wildwachsenden Pflanzen auf den Philippinen, die als Mahlzeit in Frage kommen. Da gibt es Schlinggewächse mit Stengeln und Blättern, die sich hervorragend in Öl braten lassen. Guaven sind landesweit verbreitet und gedeihen auch im Regenwald. Kriechgewächse mit purpurnen Blüten, aus denen ein schmackhafter und vitaminhaltiger Salat gewonnen werden kann. Grüner Bambus und Lianen können viel Wasser enthalten, ebenso feuchte Urwaldmoose, die sich bei Bedarf leicht auspressen lassen. Neugierig erkundet unsere Zunge diese kulinarischen Spezialitäten. Doch Vorsicht: Einige Pflanzen enthalten hochgiftige Verbindungen in ihren Blättern oder unreifen Früchten. Frischgebackene Waldläufer sollten sich daher stets bei erfahrenen Einheimischen erkundigen, welche Naturkost unbedenklich zu verzehren ist. Auch wichtige Medizin wird hier aus dem Regenwald gewonnen: Das Volk der Aeta ist auf den Philippinen bekannt für seine reichen Kenntnisse in der Pflanzenheilkunde. Mit Heilkräutern und Gebeten werden noch heute seltene Krankheiten behandelt, auch Opfergaben für die Naturgeister des Waldes sind nicht unbekannt.

    Zurück im Camp können wir in einem speziellen Restaurant für Jungle-Food die Speisekarte des Regenwaldes testen. Es gibt frischen Salat aus einer eßbaren Farnart mit Limonensaft, dazu die gekochten Wurzelknollen der Taro-Pflanze und das voll ausgereifte Fruchtfleisch einiger Guaven, das hier als vitaminhaltiges Dessert serviert wird. Es ist beeindruckend, was der Dschungel für Geheimnisse und Nährwerte offenbaren kann, wenn man sich nur am richtigen Ort befindet. Der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau bemerkte dazu bereits vor rund 150 Jahren: „In der Wildnis liegt die Errettung der Welt.“

    Basiswissen:

    Unterkunft

    Manila: Santo´s Pension House, 1540 A. Mabini Street, Ermita, Manila, (632) 523-4896, E-Mail: santospension@gmail.com. Beste Budget-Option mit sauberen Zimmern (Fan, Gemeinschaftsbad) ab 700 Peso. Mit AC und Bad etwas teurer. Hier wurde selbst eine vergessene Sonnenbrille bis zur Rückkehr aufbewahrt. Mabini Pension House, 1337 A. Mabini Street, Ermita, Manila, (523) 3930, E-Mail: reservations@mabinipension.com. Saubere Zimmer (Fan, Gemeinschaftsbad) ab 780 Peso, mit AC und Bad etwas teurer. WiFi, Frühstück und nettes Management. Nebenan kann man zu guten Kursen beim Money Changer Geld wechseln. Barrio Barretto: Johan´s Adventure Dive Center, Baloy Long Beach, Barrio Barretto, www.subicdive.com, schlichte Zimmer mit Fan und Bad ab 700 Peso. Harley`s Pub & Hotel, Baloy Long Beach, Barrio Barretto, www.harleyspub.com, schöne Anlage beim Schweden Mickey, Zimmer mit AC und Bad ab 1.200 Peso. Am Wochenende viele Besucher aus der Metropolregion Manila, besser vorher anreisen oder reservieren.

    Wann reisen?

    Ideale Reisezeit für Outdoor-Freunde ist von Dezember bis Mai, danach wird es deutlich heißer und ab Juni ist auch mit Regenfällen zu rechnen. Tropische Tiefs und Taifun-Windstärken können Landrutsche auslösen und harmlose Bäche in stürzende Wildwasser verwandeln. Der Hauptmonat für Taifune ist der September. Ab November baut sich dann wieder der Nordostmonsun auf – ein Hochdruckgebiet, das die gesamten Philippinen beeinflusst.

    Wo anfragen?

    Philippine Department of  Tourism, Kaiserhofstraße 7, 60313 Frankfurt am Main, Telefon: 069 20893, E-Mail: info@diephilippinen.de, Internet: http://www.diephilippinen.de. Informationen über die Philippinen auch in zahlreichen Blogs und Foren wie http://www.philippinenforum.net, http://www.philippine-travel.com.

    Wie ankommen?

    Preiswerte Flüge von Europa nach Manila mit KLM oder Southern China Airlines z. B. bei Travel Overland, www.travel-overland.de. Impfungen sind nicht vorgeschrieben, bei der Einreise gibt es am Flughafen ein kostenloses Touristenvisum für 30 Tage Aufenthalt. Anreise von Manila mit dem Bus nach Olangapo, etwa 4 Stunden Fahrzeit, stündliche Abfahrt. Dort vom Busbahnhof mit dem Tricycle weiter nach Barrio Barretto, etwa 20 Minuten Fahrzeit. Viele Tricycle-Fahrer erhalten von Resorts wie Johan´s Adventure Dive Center 200 Peso Kopfgeld für neue Hotelgäste, also sollte die Tour nicht mehr als 150 Peso kosten. Zum J.E.S.T Camp von Olangapo mit dem Taxi ab etwa 600 Peso. Preiswertere Tricycles haben im Freihafengebiet – dazu zählt auch das Camp – keinen Zugang.

    Was kostet es?

    Das Preisniveau in den ländlichen Gebieten von Luzon ist weitaus niedriger als auf den touristisch relevanten Inseln wie Boracay, Bohol oder auch Palawan. Einfache Unterkünfte (ohne AC) ab umgerechnet 12 Euro, Tellergerichte im Restaurant ab umgerechnet drei Euro. Die besten Wechselkurse gibt es gleich bei der Ankunft am Flughafen von Manila. Wechselkurs: 1 Euro = 60 Peso (Stand: Oktober 2017).

    Kanu & Tauchen

    Kayaks und Kanus lassen sich mitsamt Schwimmwesten am Baloy Long Beach in Barrio Barretto mieten, ebenso Fischerboote für Tagesausflüge. Dort finden sich auch mehrere Tauchbasen für Schnorchel- oder Tauchausflüge. Strömung und Gezeiten sind moderat, aber die Entfernung in der weiträumigen Bucht ist nicht zu unterschätzen. Das geschützte Großgewässer kann auch gut von Ungeübten befahren werden. Ein wasserdichter Sack für Kamera oder Wertsachen sollte nicht fehlen. Hilfreich ist auch eine eigene Taucherbrille mit Schnorchel, um die Unterwasserwelt zu erkunden. Ein kleiner Tampen, Sonnenhut und Sonnenschutz gehören ebenfalls ins Reisegepäck. Tipps zu Tagestouren und Ausflüge gibt auch der Schwede Mickey im Harley`s Pub und Hotel, der seit rund 30 Jahren hier lebt. Die Bucht von Subic gilt als taifunsicher.

    Trails & Trekking

    Ein markierter Trail sollte unter keinen Umständen verlassen werden. Gebietsweise muss mit Blutegeln, Krabbeltieren oder auch Schlangen gerechnet werden – Wildnis bedeutet Leben. Zur Grundausrüstung gehört festes Schuhwerk, ein Fernglas für Wildbeobachtung, Sonnenschutz, ausreichend Wasser und Reserveproviant. Ein Mobiltelefon mit einheimischer SIM-Karte kann im Falle von Verletzungen hilfreich sein – auf den schlüpfrigen Pfaden kann man rasch wegrutschen und sich eine schmerzhafte Bänderdehnung oder Verstauchung zuziehen. Wer wild kampieren möchte, sollte sich vorab über möglichen Privatbesitz des Lagerplatzes informieren. Naturfreunden sei die Haribon Foundation empfohlen, eine Vereinigung von philippinischen Naturschützern. Hier kann man sich ornithologischen Expeditionen anschließen, von einheimischen Kennern lernen oder auch einfach nur an Outdoor-Trainingscamps teilnehmen. Survival-Kurse im JEST-Camp: Camp Craft, Tageskurs von 8:00 h bis 15:00 h, 450 Peso / Person, Basic-Trekking mit Lernmodulen wie Sicherheit im Dschungel, Feuermachen, Schnitzen von Küchenutensilien, Kochen in Bambusstämmen, Pflanzenkunde, Wetterschutz. Hunter Gatherer, 24 h Dschungelkurs mit leichter Ausrüstung, 650 Peso /Person, anspruchsvoller Kurs mit Lernmodulen wie Übernachtung im Dschungel, Nature-Based-Teaching, Nachtwanderung, Fallenstellen und Jagd. Survival Bootcamp, dreitägiger Kurs, 1.099 Peso / Person, Premium-Dschungelausbildung mit Zertifizierung. Individuelle Kurse, Kinderkurse oder Teambuilding auf Anfrage. Info: www.jestcamp.com.

    Mehr erfahren

    Der ehemalige Flottenstützpunkt United States Subic Naval Base ist auch Ausgangspunkt für Ausflüge an die Südostflanke des Vulkans Mount Pinatubo, wo der gleichnamige Kratersee erkundet werden kann. Seit dem Rückzug der US-Streitkräfte wird die Fläche der ehemaligen Militärbasis kommerziell genutzt. Rund um die heutige Industrie- und Freihandelszone Subic Bay Freeport Zone (SBFZ) wurden Vergnügungs- und Wildparks eingerichtet, die viele einheimische Touristen anziehen. Der Tree Top Adventure Park bietet z. B. Outdoor-Aktivitäten wie Canopy oder Trekking-Touren: www.treetopadventureph.com. Im Jungle Environment Survival Training Camp kann man an Überlebenskursen oder Nachtwanderungen im Regenwald teilnehmen. Robinson-Freunde und Angler finden auf der traumhaft schönen Insel Potipot Island nahe Masinloc ihr Paradies, wo man aber ein kleines Zelt mitbringen sollte. Die nahegelegene Bataan-Halbinsel war während des Zweiten Weltkriegs heftig umkämpft und Ausgangspunkt für den Todesmarsch von knapp 80.000 alliierten Kriegsgefangenen.

    Sich orientieren

    Übersichtskarten gibt es z. B. bei Johan´s Adventure Dive Center in Barrio Barretto zu kaufen. Kartenmaterial auf den Philippinen: www.ezmaps.ph.

    © Foto und Text von Ralf Falbe. Abdruck im Survival Magazin im Frühjahr 2018.