„Seit Beginn der Bankenkrise haben sich hier bereits über 6.000 Menschen umgebracht“, erzählt die Winzerin Claudia Papayianni in Arnea mit leiser Stimme. Ein wirtschaftlicher Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Steuerschulden und Sparpolitik lähmt viele Griechen. In seinem Magazin „Hotdoc“ enthüllt der investigative Journalist Kostas Vaxevanis beinahe täglich neue Korruptionsskandale und Staatsaffären. Der Tourismus – einst wichtigster Wirtschaftszweig neben der Landwirtschaft – verlangt nach neuen Konzepten und Marketingstrategien, um sich gegen Mitbewerber auch langfristig durchzusetzen. Die Halbinsel Chalkidiki in Nordgriechenland gilt als bedeutendes Weinanbaugebiet und traditionelle Touristendestination. Seitdem aber die deutschen Urlauber ausblieben, hat man verstärkt auf den Markt in Osteuropa gesetzt und nicht alle Hoteliers scheinen glücklich über diese neue Entwicklung. Viele Souvenirverkäufer und Restaurantbesitzer lernen bereits eifrig Russisch, um sich für ihre neue Kundschaft gut aufzustellen, auch wenn der Crash russischer Veranstalter zuletzt das Chaos nur noch mehr befeuert hatte.
Die Region des Heiligen Berges Athos östlich von Ouranoupoli ist Zufluchtsort sowohl für spirituelle Jünger als auch weltliche Bankrotteure. Orthodoxe Pilger aus den Balkanstaaten, Russland und der Ukraine suchen hier nach Erleuchtung und Einflussnahme, während arbeitslose Griechen und Albaner in den Klöstern Lohn und Brot finden. Rund 2.000 Saisonarbeiter dienen hier über 2.000 Mönchen, von denen einige ebenfalls nur der Wirtschaftskrise zu entfliehen scheinen. Bärtige Männer, die ohne Kutte glatt als Taliban durchgehen würden, brennen im Klosterkeller hochprozentigen Schnaps bei lauter Musik aus dem Radio. Nebenan wechseln die Ikonen für 15.000 Euro den Besitzer und so mancher Novize wird blaß im Gesicht angesichts dieser Summen. Die große Politik macht hier auch vor den Pilgern nicht Halt – Russen und Ukrainer leben auf dem Heiligen Berg Athos in getrennten Klöstern. Gottes Wege sind unergründlich.
Konstantin arbeitet in einem der Klöster als Saisonarbeiter, kann nur alle zwei Wochen Frau und Kinder in der Heimatstadt besuchen. „Was glaubst du, wie oft ich so eine Flasche Wein wie diese hier öffnen kann?“, fragt er. Sein Verdienst liegt bei rund 1.000 Euro im Monat, davon bleiben ihm nach Abzug aller Steuern noch etwa 500 Euro um seine Familie durchzubringen. Das Kloster als Fluchtpunkt. „Manchmal“, sagt er, „sitze ich stundenlang wortlos neben meiner Frau. Wir schweigen beide gemeinsam, um unsere Batterien wieder neu aufzuladen“. In der rustikalen Küche blättert sein Kollege rauchend in einem alten Baumarkt-Prospekt und träumt von teuren Sitzgarnituren, während andere bei der Arbeit im Weinberg über Automarken fachsimpeln. Weltliche Sehnsüchte. Religiöse Erleuchtung, persönliche Macht oder finanzielle Einflussnahme in den Klöstern suchen sie jedenfalls nicht. Eine bunte Gesellschaft, nicht nur für Pilger.
Anreise: In Ouranoupoli muss ein Visum für den Mount Athos beantragt werden, das maximal 3 Tage gültig ist. Der Zugang ist streng limitiert und eine Voranmeldung unbedingt erforderlich. Die Ausstellung der Papiere kostet 30,00 Euro für Ausländer, Griechen zahlen 25,00 Euro. In Ouranoupoli startet auch die Fähre zur Halbinsel vom Heiligen Berg Athos. In Safni aussteigen, dann weiter mit dem wartenden Bus in die Klöster. Alternativ die Wanderstiefel schnüren und mit Muskelkraft der Erleuchtung begegnen.
Mount Athos Area Organization, Ouranoupoli, http://www.mountathosarea.org
Hotel Filoxenia, Ouranoupoli, http://www.filoxenia-r.gr
Eagles Palace Resort & Spa, Ouranoupoli, http://www.eaglespalace.gr
Weingut Claudia Papayianni, Arnea, Weinverkostungen, http://www.cp-domaine.gr
Tsantali Weinbau, Chalkidiki, Weinverkostungen, http://www.tsantali.com
Explore Outside, Adventure Travel Company, http://www.ExploreTheOutside.com
© Text und Foto by Ralf Falbe 2014. Mit freundlicher Unterstützung durch Visit Greece.