Twin Lakes Nationalpark

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    „Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.“ Ranger Sergio drückt seine Zigarette aus und gibt das Zeichen für den Aufbruch. Unsere kleine Gruppe setzt sich in Bewegung und folgt seinen Schritten in den immergrünen Regenwald der Hochebene. Die grandiose Wildnis-Kulisse des Twin Lake Nationalparks schürt nicht nur bei Sergio Achtsamkeit.

    Die Anreise – von Dumaguete City auf Negros sind es rund fünfzehn Kilometer – mit Jeepney, Bus oder Motorrad führt über Bergpässe und Serpentinen hinauf in eine Hochebene (Tablas Plateau), die 1.040 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Der höchste Berg (Cuernos do Negros) erreicht hier mit 1.864 Metern eine passable Höhe für Climber. Unterwegs bietet sich ein traumhafter Ausblick auf die Meerenge zwischen Negros und Cebu. Eine Ranger-Station markiert den Zugang zum Nationalpark – hier müssen sich Besucher registrieren lassen und zahlen 100 Pesos Eintritt. Etwas weiter liegt ein Restaurant mit einfachen Hütten und einer Wiese, die sich für Camper eignet und einen schönen Panoramablick auf den Naturpark bietet. Ein Guide ist nicht unbedingt erforderlich, die insgesamt 14 Kilometer langen Trekking-Pfade durch die dicht bewachsenen Berghänge sind gut markiert. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt es sich jedoch, besser in der Gruppe auf Erkundung zu gehen – ein gebrochener Knöchel kann schnell zu einer Notlage im urigen Regenwald führen.

    Das schmale Asphaltband verliert sich alsbald in der dichten Vegetation, wird abgelöst von in das Unterholz geschlagene Treppenstufen, die zum Lake Balinsasayao und markierten Trekking-Pfaden führen. Keuchend hasten wir  hinter Ranger Sergio den Pfad entlang, vorbei an mächtigen Brettwurzeln und schirmartigen Blätterdächern. Die gewaltige Artenvielfalt des originären Dschungels birgt bedrohte Tierarten wie Negros-Spitzmaus ( Crocidura negrina) oder Tariktik-Hornvogel (Penelopides panini). Wer Geduld und ein Zelt mitbringt, kann in den frühen Morgenstunden oft auch Affen, Rehe und seltene Singvögel beobachten, wie uns Sergio erklärt. Im gesamten Archipel der Philippinen zählt man über 7500 endemische – nur dort vorkommende – Pflanzenarten, ein perfektes Ökosystem mit den ureigenen Gesetzen der Evolution: Riesenfarne, Moose und Pilze flankieren die steinigen Trekking-Pfade, an denen sich Lianen und mächtige  Baumwurzeln entlang schlängeln.

    Am Lake Balinsasayao hat sich eine andere Gruppe mit Ranger Sergio zusammengefunden, bereit für die Kayakfahrt über den spiegelglatten See, der von immergrünen Steilwänden eingerahmt wird. Die hohe Luftfeuchtigkeit verlangt nach Abkühlung, einige springen in die kühlen Fluten und lassen sich ihre strapazierten Knie umspülen. Der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau bemerkte dazu bereits vor rund 150 Jahren: „In der Wildnis liegt die Errettung der Welt.“ In der Ferne schimmern die grünen Steilhänge des Mount Kanlean, von dessen Kraterkegel man mehrere hundert Meter in das schweflige Auge des Riesen hinabschauen kann. Seltene Orchideenarten winken zwischen mächtigen Baumkronen hervor und vermitteln eine äquatorial verzauberte Atmosphäre  – die Zivilisation von Dumaguete City scheint weit entfernt.

    Der Feuerberg Mount Kanlean (2.465 Meter) nahe dem Twin Lakes Naturpark brach erst im Juni 2016 nach vielen Jahren wieder aus – die Region gilt weiterhin als unberechenbares Abenteuerland für Bergsteiger und Wanderer. Eruptionen des Kanlaon – einer der aktivsten Vulkane der Philippinen – wurden bereits in den Jahren 1866, 1893, 1894, 1902, 1906, 1927, 1932 sowie 1967 notiert, wobei der Vulkan stets schwere Gesteinsbrocken und Ascheauswürfe weitflächig verteilte. Der Riese schläft nur. Zu seinem Fuße liegen unberührte Regenwälder, die ein Naturschutzgebiet von fast 25.000 Hektar bedecken. Die Kraterseen im Twin Lakes Nationalpark sind ebenfalls vulkanischen Ursprungs.

    Auf den steinigen Pfaden geht es mit Ranger Sergio weiter in Richtung Lake Danao, vorbei an verborgenen Wasserfällen und dicht bewachsenen Steilhängen. Seit einem verheerenden Taifun ist der Zugang zum See nicht mehr möglich und man kann lediglich eine Aussichtsplattform (View Deck) erreichen. Die vulkanisch geprägte Region ist bekannt für die geothermalen Bedingungen, so dass man hier in dem feuchten Märchenwald auch vereinzelt auf heiße Quellen und brodelnden Schlamm stößt. Etwas weiter trennt ein schmaler Bergkamm die beiden Seen und muss überwunden werden. Während wir die Anhöhe emporsteigen, klingt aus den dichten Dschungeln beiderseits eine elementare Geräuschkulisse. Eine unscheinbare Kuckucksart (Cacomantis merulinus) ist weit verbreitet in den Wäldern der Philippinen und mit Glück lässt sich hier sogar der vom Aussterben bedrohte endemische Adler beobachten, wie uns Sergio erklärt. Selbst ornithologische Neulinge werden in der üppigen Topographie des Naturparks schnell fündig, auch wenn das Auge erst trainiert werden will. Ernsthaften Naturfreunden sei daher die Haribon Foundation (https://goharibon.wordpress.com) empfohlen, eine Vereinigung von philippinischen Naturschützern. Hier kann man sich ornithologischen Expeditionen anschließen, von Kennern lernen oder auch einfach nur an Regenwald-Trainingscamps teilnehmen – etwas Survival-Kenntnisse in Flora und Fauna sind immer hilfreich.

    Auf einer Anhöhe rastet eine weitere Gruppe Climber, die Zusammensetzung ist international. Einat stammt aus Israel und ist mit zwei philippinischen Naturfreunden unterwegs. Man fachsimpelt über die schönsten Nationalparks und plant bereits eine mehrtägige Expedition auf den Vulkan Mayon, der zu den aktivsten und somit gefährlichsten Feuerbergen des Landes zählt. „This place is so beautiful – you should stay here in a tent overnight“, schwärmt Einat tief beeindruckt. Schweiß rinnt uns über das Gesicht, während wir still der Geräuschkulisse des Dschungels lauschen. Nur wenig Sonnenlicht dringt hier bis zu dem ausladenden Boden, der von Lianen und einem engen Geflecht von Schlingpflanzen gesäumt wird, aber die Luftfeuchtigkeit macht uns zu schaffen. Nach der Pause in einem Toilettenhäuschen – die Ranger haben entlang der markierten Pfade mehrere WCs gebaut – klettern wir gemeinsam hinter Sergio den Korridor hinab. Auch wenn die Bedrohung durch Giftschlangen immer wieder überschätzt wird, so wählen wir unsere Schritte unter Anweisung des Rangers mit Bedacht: Schlangenbisse sind stets Reaktionen auf unbedarfte Tritte im Gebirge oder Reisfeld. An anderer Stelle gilt es, den Dornen der defensiv ausgerüsteten Rattanpalme auszuweichen, deren Lianen den primären Dschungel auch auf den schmalen Trekking-Pfaden durchziehen. Waldläufer unter sich: „Take nothing but pictures. Leave nothing but footprints. Kill nothing but time.“

    Im schattigen Urwald beginnt die Dämmerung früh und bereits ab 18:00 Uhr bricht die Nacht überall jäh herein. Wir verabschieden uns von Ranger Sergio und machen uns müde auf den Heimweg. Andere schlagen ihr Zelt nahe der Aussichtswiese des Restaurants auf und lauschen  den Geräuschen des Dschungels. Der erste Tag vom Rest unseres Lebens war ein erfolgreicher Tag gewesen.

    Basiswissen:

    Gut zu wissen

    Die Insel Negros gehört geographisch zum Visaya-Archipel und liegt zwischen Panay (Norden), Cebu (Osten) und Mindanao (Süden) auf den Philippinen. In Richtung Westen folgt zunächst das offene Meer, dann die abgelegene Insel Palawan. Der Twin Lakes Naturpark in der südöstlichen Provinz Negros Oriental – im Jahre 2000 eingerichtet – wird von einer dichten Regenwaldvegetation bedeckt, die Heimat vieler bedrohten Tierarten ist. Rund tausend Meter über dem Meeresspiegel liegen hier die Vulkankraterseen Lake Balinsasayao und Lake Danao, der nach einem verheerenden Taifun nur noch schwer zugänglich ist. In unmittelbarer Nachbarschaft lassen sich beeindruckende Bergwelten wie Mount Kanlean, Mount Kalbasan, Mount Mahungot oder Mount Balinsasayao erkunden.

    Wann reisen?

    Ideale Reisezeit für Wanderer und Bergsteiger ist von Dezember bis März, danach wird es deutlich heißer und ab Juni ist auch mit Regenfällen zu rechnen. Dann sind viele Nationalparks nicht mehr passierbar und es wird schwierig einen Guide zu finden. Tropische Tiefs und Taifun-Windstärken können Landrutsche auslösen und harmlose Bäche in stürzende Wildwasser verwandeln. Der Hauptmonat für Taifune ist der September. Ab November baut sich dann wieder der Nordostmonsun auf – ein Hochdruckgebiet, das die gesamten Philippinen beeinflusst.

    Wo anklopfen?

    Philippine Department of Tourism, Kaiserhofstraße 7, 60313 Frankfurt am Main, Telefon: 069 20893, E-Mail: info@diephilippinen.de, Internet: www.diephilippinen.de. Informationen über die Philippinen auch in zahlreichen Blogs und Foren wie www.philippinenforum.net, www.philippine-travel.com. Zu Dumaguete City: www.dumagueteinfo.com.

    Wie ankommen?

    Anreise via Manila oder Cebu City nach Dumaguete City auf Negros in den südlichen Visayas mit Philippine Airlines oder Cebu Pacific. Die Anschlussflüge lassen sich im Internet auch bereits vorab buchen und mit Paypal oder Kreditkarte bezahlen.  Alternativ kann man auch am Flughafen Manila oder Cebu City (Domestic Airport) am Schalter der Airlines ein Ticket erwerben. Mehrere Flüge täglich verbinden die beiden größten Städte der Philippinen mit der kleinen Provinzstadt auf Negros, so dass Stand-by bei Filipinos durchaus gebräuchlich ist. Am Flughafen von Dumaguete City warten bereits Taxis und Tricycle-Fahrer, die Reisende für etwa umgerechnet zwei bis drei Euro in die Stadt fahren.

    Was kostet es?

    Das Preisniveau in den ländlichen Gebieten ist weitaus niedriger als auf den touristisch relevanten Inseln wie Boracay, Bohol oder auch Palawan. Einfache Unterkünfte (ohne AC) ab umgerechnet acht Euro bei Harolds Mansion House in Dumaguete City, Tellergerichte im Restaurant ab umgerechnet drei Euro, Flüge Manila-Dumaguete City ab umgerechnet vierzig Euro. Wechselkurs: 1 Euro = 63 Peso.

    Trails & Trekking

    Weite Teile der archipelagischen Wildnis von Negros liegen in einer Höhe zwischen 1.000 und 2.000 Meter über dem Meeresspiegel, wo der immergrüne Regenwald von der Feuchtigkeit des dichten Wolkenhimmels zehrt. Ein markierter Trail sollte unter keinen Umständen verlassen werden, denn nach nur wenigen Schritten in den Urwald zeigt die Vegetation ihre grünen Mauern ohne Ausweg. Gebietsweise muss mit Blutegeln, Krabbeltieren oder auch Schlangen gerechnet werden – Urwald bedeutet Leben. Auskünfte über bevorstehende Vulkanausbrüche kann man beim Institut für Vulkanologie und Seismologie (PHIVOLCS) beziehen, siehe http://www.phivolcs.dost.gov.ph. Zur Grundausrüstung gehört festes Schuhwerk, ein Fernglas für Birdwatching und Wildbeobachtung, Sonnenschutz, ausreichend Wasser und Reserveproviant. Ein Mobiltelefon mit einheimischer SIM-Karte kann im Falle von Verletzungen hilfreich sein – auf den schlüpfrigen Pfaden kann man rasch wegrutschen und sich eine schmerzhafte Bänderdehnung oder Verstauchung einfangen.

    Mehr erfahren

    Offizielle Website des Twin Lake Nationalparks: http://www.btlnpdenr.com. Das Philippinen-Reisehandbuch von Jens Peters hat schon Generationen von Abenteuerreisenden sicher durch die tropischen Inselwelten gelotst. Dumaguete Outdoors, www.dumagueteoutdoors.com, organisiert Trekking-Touren und Vulkanexpeditionen auf den Mount Kanlaon und Mount Talinis.

    Sich orientieren

    Übersichtskarten gibt es bei Harolds Mansion House in Dumaguete City, wo man auch Tagesausflüge und mehrtägige Trekkingtouren zum Mount Kanlean buchen kann:  http://haroldsmansion.com. Ebenso preiswerte Übernachtungen und Tauchtrips zu den Korallenriffen von Apo Island.

    Nicht versäumen

    Mehrtägige Expeditionen auf die Feuerberge Mount Kanlean oder Mount Talinis in über 2000 Meter Höhe, siehe www.negrostourism.com.

    Sicherheit

    Dumaguete City gilt als sehr sichere Kleinstadt, in der auch viele Expats und Ausländer leben. Im dschungelbewachsenen Westen von Negros ist die kommunistische NPA-Guerilla – heute mehr idealistisch als ideologisch orientiert – wieder verstärkt aktiv, aber Touristen stehen nicht im Fokus der Aktivitäten. Der Vulkan Mount Kanlaon ist seit 1919 etwa 30 Mal ausgebrochen und gilt als einer der aktivsten Feuerberge der Philippinen. Vor einer Trekking-Tour in der Region sollte man sich bei den örtlichen Vulkanwarten (PHIVOLCS) über aktuelle Eruptionen und mögliche Gesundheitsgefahren wie Ascheregen erkundigen.

    Copyright Ralf Falbe 2016

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